Die Vogelfreie

VOGELFREI –im öffentlichen Raum und als filmische Umsetzung:
Nachdem klar war, dass es keine Prozesskostenhilfe zur Rechtslage geben würde, die die Richter immer bewilligen müssen, auch wenn sie anderer Meinung sind, muss es ein ordentliches Verfahren, das auch revisionsfähig ist, geben, sagte ich zu einer Freundin, also ich habe meine Grundrechte auf Teilhabe am Familienvermögen, faires Gerichtsverfahren, effektiven Rechtsschutz, abgegeben, ich bin rechtlos im eigenen Land- ich bin vogelfrei.

So entstand die Idee als Vogelfreie die Öffentlichkeit zu informieren. Es besteht ein öffentliches Interesse am Minimieren der Ausgaben für Soziales und natürlich am Rechtsstaat, daher sind Gerichtsverfahren idR öffentlich.

Ich dachte sofort an die Illustrationen des Grimm Märchens „Fitchers Vogel“ aus dem frühen 20. Jh. (https://de.wikipedia.org/wiki/Fitchers_Vogel)- davon abgesehen, ist es ja ein starkes Märchen von Wehrhaftigkeit und Umkehrung der Machtverhältnisse durch Einfallsreichtum.

Die ersten Kostümentwürfe waren allerdings frustrierend- es sah eher nach einem gerupften Hühnchen aus, geeignet für eine Demo vor einer Hühnerfarm, also Thema verfehlt. Es braucht eben Zeit, etwas künstlerisch umzusetzen. Ich wollte zum ersten Mal in meinem Leben aufgeben, weil ich nicht die Kraft hatte, hier weiter herum zu probieren. Aber dankenswerter Weise unterstütze mich mein Freundeskreis, auch finanziell, um weiteres auszuprobieren. Ohne die Hilfe meiner wunderbaren FreundInnen wäre dies alles nicht möglich! Und so ist ein sehr schönes Kostüm entstanden: filigran, experimentell, aber auch abgerissen, zerbrechlich. Sehr geeignet, das randständige Sein im öffentlichen Raum, in der Öffentlichkeit darzustellen, in deren Abhängigkeit man sich, aufgrund des Verlusts der persönlichen Rechte befindet, eine public affair, die die unsichtbare Ungleichheit an die Oberfläche, zur Sprache bringt.  An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinen LehrerInnen in Kunstwissenschaften, Geschichtswissenschaften, Theater- und Medienarbeit, national und international, bedanken, deren Vermittlung von Recherche, Analyse, künstlerische Methoden und Transformation mich überhaupt erst in die Lage versetzt haben.

Ich habe mich über den bisherigen Zuspruch auf der Strasse und das Zuhören, die Gespräche überhaupt,  sehr gefreut!

EINSCHUB
Dazu gibt es auch einen Traum: ich träumte eine  Auseinandersetzung in einem Cafe mit meinem Vater (Erblasser) und dessen zweiter Frau (erbrechtliche Gegnerin). Ich soll nicht so laut sein! (meinten andere Gäste). Weil es zwecklos war, packte ich meine Sachen. Ich war schon auf dem Weg nach draussen, als mich  Fremde ansprachen, mich zu einem Kaffee einluden, hier konnte ich meine Geschichte erzählen, sie waren interessiert.

Insbesondere während der psychotherapeutischen Hilfe (natürlich brauchte ich solche; und ich kann mich auch gleich bei den TherpeutInnen bedanken, denn ich bezweifle, dass es ohne diese zu Lösungen gekommen wäre), hatte ich viele Aktivträume, eine anderer in Bezug auf Herkunftsfamilie und Weltfamilie war: ich und mein Vater waren auf einem Ozeanschiff. Als es zu sinken begann, wollten mich meine FreundInnen runter holen. Ich wollte erst noch meinen Vater suchen gehen, suchte und fand ihn nicht, meine FreundInnen sagte, jetzt ist es höchste Zeit vom Schiff zu kommen, runter oder untergehen, also verliess ich (traurig) das Schiff. Wie oft in Träumen gab es dann einen Cut. Das Meer war weg und das Schiff lag da, auf dem Grund. Ich ging hin und fand meinen Vater in seiner Kabine- er hatte verschlafen.

Ich habe die Zusammenhänge zwischen der geistigen  Verfassung meiner Eltern, die Geschichte der Bundesrepublik und die deutsche Geschichte noch nicht präzisieren können. In der Konsequenz ergeben sich Ähnlichkeiten in der Zustandbeschreibung der Eltern im Roman “Kanada” von Richard Ford, als völlig überforderte Personen, die eine Verheerung hinterlassen. Sicherlich wirkt eine Familiengeschichte mit zwei großen Kriegen traumatisierend, “Von Bismarck bis Hitler” (Sebastian Haffner) ist ebenfalls von Bedeutung oder auch “Das weisse Band”, ein Film von Michael Haneke (strafen, vernichten, von Unter- und Obermenschen). Ich möchte mich natürlich nicht der Analyse entziehen und verweise auf “Generation X” von Douglas Coupland, worin alles gesagt wird.
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Für mich sind die dem Fall zugrunde liegenden Vorgänge symptomatisch für die bundesrepublikanische Wirklichkeit.  Als randständige Person hat man einen passablen, sozusagen seismographischen Blick auf die Probleme der Gesellschaft,  weil  man sie zuerst erfährt. Der Rechtsstaat ist lediglich Theorie und in Praxis nicht erhältlich für Behinderte und Arme.  De facto sind sie rechtlos.

Ungleichheit sorgt nicht nur für Armut, sondern auch für fiskalische Lücken und zerfallende Infrastruktur. Personen mit Seltenen Erkrankungen sind besonders vulnerabel. Sie bekommen die Zeitenwende und damit die Verstetigung dieses Prozesses besonders zu spüren. Eine funktionierende Gesellschaft ist jedoch auf Interesse und Lösungen von gesellschaftspolitischen Fragen angewiesen: in welcher Gesellschaft wollen wir leben? Ich persönlich möchte in keinen neofeudalen, (finanz)faschistischen, antidemokratischen und willkürlichen Strukturen leben und werde mich dagegen wehren. Ohnehin besteht nach  Art 20  das Recht zum Widerstand. Daher nehme ich mein Recht auf freie Meinungsäußerung war, auch wenn die Bearbeitung aufgrund von Krankheit eher dauern wird.

Ungleichheit ist ein wichtiges Thema, das aber ausgeblendet wird. Seit Jahrzehnten wird in der Bundesrepublik eine Zunahme der sozialen Ausgrenzung und damit Abnahme der Verteilungsgerechtigkeit diagnostiziert. (Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, Kap. Gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung, Rn 28, 3. Aufl., 2019). Dergleichen auch, Armut erfasst breitere Bevölkerung (ver.di Wirtschaftspolitik aktuell 06/2024, https://wipo.verdi.de/publikationen/++co++708e662e-f194-11ee-9cee-4f4da0c4a73f); Ungleichheit ist ein zentrales Problem dieser Republik (beispielhaft: Jens Berger: Wem gehört Deutschland. Die Bilanz der letzten 10 Jahre, 2024); Umverteilung nach oben wird politisch aktiv betrieben, anstatt diese anzugehen (Christoph Butterwegge, Umverteilung des Reichtums, 2024). Für Arme ist der Rechtsstaat längst erodiert (Ronen Steinke, Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich, 2022) oder Umformung des Rechts durch Vermögende (Katharina Pistor, The code of capital- How law creates wealth and inequality, 2019).

Mit der Vermögenskonzentration einher geht Ungleichheit, denn das Eigentum hat eine Machtverteilungsfunktion. Das Recht des Eigentumerwerbs und die Verteilung der Eigentumsgegenstände insbesondere der Produktionsmittel auf eine Vielzahl von Personen verhindern macht Machtakkumulationen in der Hand des Staates oder wirtschaftlicher Monopole. Das Eigentum wird also dezentralisierend. Es verhindert, dass politische Herrschaft und unbeschränkte ökonomische Macht in der Hand des Staates zusammenfallen. Es hat eine Machtaufteilende- und beschränkende Funktion und sichert dem Einzelnen einen Anteil an der Wirtschafts- und Sozialgestaltung.“ (Grundgesetz, Kommentar, Maunz, Dürig (begründet), Bd II, Art 14, S. 20 ff.).

Es gibt keine Vermögensverteilungsmechanismen mehr, nicht mal bei erbrechtlichen Ansprüchen. Es wird noch darauf hingewiesen, dass mit der Zunahme der Armut auch die Gefahr der rechtlichen Ausgrenzung steigt, wie der folgende Fall deutlich zeigt.

Wer hierzulande vulnerabel ist, bekommt die Grundrechte entzogen, und auch keinen Zugang zur Rechtsordnung, zunehmend lassen sich Justizverfall und Klassenjustiz beobachten. Ist die Bundesrepublik noch ein Rechtsstaat gemessen an den eigenen Normen? Wie viel Ungleichheit (vor dem Gesetz, ökonomisch) verträgt eine demokratische Gesellschaft?

Was hier betrieben wird, ist Umverteilung durch Ungleichheit- über steigende Sozialkosten braucht sich dann gerade nicht beklagt zu werden, denn Ungleichheit ist systemisch, diese belastet nicht nur den Haushalt, sondern führt auch zu Steuerverlusten. Ungleichheit ist antidemokratisch und führt zu fiskalischen Problemen und in Folge zu Kürzungen bei Infrastruktur und Daseinsvorsorge.

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