Rechtsgrundlagen zum FALL

Hier gibt es einen Überblick über die wichtigsten Rechtsgrundlagen.

1. Warum ist die Auskunftsstufe wichtig?
2. aktuelle Rechtslage: bei hohem verschwundenen Vermögen und Einkommen sind Belege vorzulegen, fehlen wesentliche Teile des Nachlasses, ist die Auskunft zu vervollständigen. Noch nicht entschieden: wie bei angekündigtem und augenscheinlich auch durchgeführten Betrug zu verfahren ist?

3. Rechtseinheitlichkeit, Rechtfortbildung
4. Grundlagen Prozesskostenhilfe, Beschwerde, Gehör
5. Beweissicherung, effektiver Rechtsschutz, öffentliches Interesse, existenzielle Notlage,
6. Grundrechte (prozessual, materiell)

7. Weitere wichtige Rechtsfragen und Literatur

1. Warum ist die Auskunftsstufe wichtig?
„Mit dem Auskunftsbegehren geht es um die Offenlegung der erforderlichen Angaben, damit der Pflichtteilsberechtigte die Höhe seines Anspruchs berechnen kann. Der Beweisnot des Pflichtteilsberechtigten soll abgeholfen werden (BGHZ 33, 374 = NJW 1961, 6902; BGH NJW 1981, 2051; BGH NJW 2002, 2469).“ (Pflichtteilsrecht, Herzog, 3. Aufl., 2022, § 2314 BGB, Rn. 3).

2. aktuelle Rechtslage: bei hohem verschwundenen Vermögen und Einkommen sind Belege vorzulegen, fehlen werthaltige Geschenke, ist die Auskunft zu vervollständigen. Noch nicht entschieden: wie bei angekündigtem und augenscheinlich auch durchgeführten Betrug zu verfahren ist?
a) verschwundenes hohes Vermögen und Einkommen
Die rechtliche Bewertung nach der bisherigen Auskunft aus: Rösler in: Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 6. Auflage 2024, § 26 Pflichtteil, Rn 1491 (ohne Fussnoten):

5.Verteidigung (der Auskunftspflicht, Anm Verf.)

Gegen die Ansprüche aus §§ 2314. 242 BGB verteidigt sich der Schuldner oft mit vermeintlicher Erfüllung“ (wie hier Anm Verf.)

Anstrengungen richten sich nach dem Einzelfall. Es gilt, die divergierenden Grundrechtspositionen bei der Auslegung von § 2314 BGB in Ausgleich zu bringen. Meist wird eine weite Auslegung befürwortet um der Verkürzung der Erbrechtsgarantie für den Pflichtteilsberechtigten entgegenzutreten. Das kommt in Betracht, wenn der Verweis auf die eidesstattliche Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB zur effektiven Realisierung des Pflichtteils im Einzelfall nicht ausreichend wäre.“

Es ist nicht einsehbar, wie die Verfasserin bei angekündigten und durchgeführtem Betrug um den kompletten Pflichtteil/Ergänzungsanspruch nur auf die eidesstattliche Versicherung  zu verweisen sein soll.

„Findet sich im Nachlass kein Hinweis auf andere als die vorhandenen Konten, hat der Erbe nicht nachzufragen, ob weitere Konten bestehen.“

Im Umkehrschluss gilt, besteht der Verdacht, wie hier dass es ein Konto gibt, weil ausweislich DRV ja Rente bis zu Tod des Erblassers gezahlt wurde, ist dies seitens der Alleinerbin aufzuklären.

„Zur Klärung von Schenkungen hat der Erbe notfalls umfangreiche Recherchen über alle vorhandenen Konten des Erblassers anzustellen.

Anhaltspunkte für Schenkungen können nach Herzog vorliegen: …
Der Erblasser hatte unstreitig größeres Vermögen vor dem Erbfall, nicht aber im Zeitpunkt des Erbfalls. (4)
Zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erblasser bestand erhebliche Feindschaft und der Erblasser plante pflichtteilsverkürzende lebzeitige Zuwendungen. (5) …

 Der Erblasser hat seinem Ehegatten zahlreiche bedeutende Schenkungen gemacht oder

die finanziellen Verhältnisse der Ehepartner sind aufgrund zahlreicher Transaktionen schwer zu durchschauen. (8)“

All dies liegt hier vor. Es wurde umfassend dazu vorgetragen, Beweise vorgelegt und zuletzt eidesstattlich versichert ohne dass dies Gehör gefunden hätte!

„Jedoch hat stets eine Einzelfallwürdigung unter Abwägung der divergierenden Grundrechtspositionen zu erfolgen.„

Die Verfasserin hat auf ihre Grundrechte verwiesen und gefragt, wie diese bei obigem Sachverhalt und Vorgehen der Gegnerin gesichert werden können! Jedoch auch darauf wurde nicht eingegangen.

„Die praktische Frage ist, ab welcher Schwelle ausreichende Anhaltpunkte angenommen werden. Die Rechtsprechung ist großzügig: Das OLG Stuttgart1563 hat dem Erben die Beschaffung der Kontoauszüge aus den letzten 10 Jahren zur Prüfung etwaiger Schenkungen auferlegt, weil die Bankkonten des Erblassers am Todestag kaum Guthaben aufwiesen bei monatlichen Einkünften von 1.720 Euro“


Die Verfasserin nachgewiesen, dass der Erblasser als leitender Angestellter eine hohes Einkommen hatte und eine hohe Rente erwartete, die DRV hat aktuell erklärt, dass die Rente des Erblassers bis zum Tode überwiesen wurde. Die Gegnerin gibt an, er habe kein Konto mehr gehabt. Das ist aufzuklären, wohin die Rente des Erblassers ging und die DRV als Zeugin zu hören.

„Entsprechendes gilt für die Annahme, substanziierte Anhaltpunkte für Schenkungen lägen bereits vor, wenn der Erblasser 2010 rund 230.000 Euro erbte und beim Erbfall Kontoguthaben bestand von rund 166.000 Euro.“

Der Erblasser verfügte ausweislich Scheidungsakten und Auskunft Lebensversicherer zwischen 1991 und 2007 über 900.000€ Geldvermögen, ausweislich einer notariellen Urkunde eines Dritten, die dieser vorlegen wird, verkaufte der Erblasser 2007 seine Unternehmensanteile für 900.000€. Womit über 1,8 Mio€ fehlen.

Die Auskunft ist nicht erfüllt, wenn die Wissenserklärung „nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft“ ist. Allein der Verdacht, der Auskunftsschuldner habe seine Erinnerungsfähigkeit unterdrückt, rechtfertigt dies aber noch nicht. Anders liegt es, wenn die Wissenserklärung in sich widersprüchlich ist bzw. in Widerspruch zu Unterlagen steht.“

Damit ist die Auskunft vorliegend nicht erfüllt, denn sie steht im Widerspruch zu der Sachrecherche und den vorgelegten Beweisen. Die Auskunft der Gegnerin ist dringend erklärungsbedürftig, denn das nachweislich vorhanden gewesene hohe Vermögen ist verschwunden, die DRV will die Rente überweisen haben, die Gegnerin erklärt, der Erblasser habe kein Konto gehabt.

Im Prozesskostenhilfeverfahren ist zumindest die Rechtslage zu zugestehen- auch wenn man anders entscheiden möchte und selbstverständlich auch anders entscheiden darf- dem soll nicht vorgegriffen werden.

Die Auskunftsstufe ist für den Erfolg der Zahlungsstufe wichtig. Daher ist es angebracht sorgfältig zu sein, auch bei Personen die Pkhbedürftig sind und erst Recht wenn es darum geht, Land und Bund einen dauerhaften Sozialhilfebezug zu ersparen. Man kann ja nicht auf der einen Seite, politisch die hohen Sozialkosten monieren oder wie der Rechnungshof des Land Berlins auf drohende Zahlungsunfähigkeit verweisen und auf der Seite erschwert die Judikative erheblich oder vereitelt sogar, dass bestehende Ansprüche geltend und korrekt geltend gemacht werden können- die bedürftige Person darf Opfer eines erbrechtlichen Betrugs bleiben.

Also, wenn es keine Erklärungen und Belege seitens der Gegnerin gibt, wird es eher keine Zahlungsansprüche aus verschwundenen Vermögen und Einkommen geben.
Die Immobilie ist mit konstruierten Zahlungen und dem Anspruch auf Altersvorsorge belegt. Bisher ist ja nur die Gegnerin gehört worden und wenn das weiter so bleibt, wird es auch hieraus nichts geben.
Also es wird dann schon sehr knapp, wiewohl bestehend, einen Anspruch zu generieren, der für einen längeren Zeitraum oder dauerhaft aus der Sozialhilfe bringt.
Die richterliche Unabhängigkeit bleibt gewahrt, denn es bleibt sowohl der Kammer am Landgericht, als auch der am Kammergericht vorbehalten, anders zu entscheiden, also gegen die Rechtslage und Vorlage einiger Belege hieraus zu entscheiden, allerdings in einem ordentlichen Verfahren, mit Urteil und mit Revisionsfähigkeit.

b) Auskunft ist zu ergänzen, wenn Wesentliches fehlt.
Brandenburgisches OLG Urteil vom 14.07.2020 – 3 U 38/19 Fundstelle openJur 2020, 38910:

Tenor
… Der Beklagte wird ….  verurteilt, den Klägern zu 1 und 2 Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am…2017 verstorbenen Erblassers H… Sch… durch Ergänzung des von ihm mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2018 erstellten Nachlassverzeichnisses in folgenden Punkten…
Gründe

….aa) Das Nachlassverzeichnis der Beklagten vom 25.01.2018 ist eklatant unvollständig. Es enthält lediglich rudimentäre Angaben zu den einzelnen nachlasszugehörigen Gegenständen, die es insbesondere mit Blick auf die Unterpunkte Landtechnik, weitere bewegliche Sachen und Hausinventar den Klägern nicht ermöglichen, auf ihrer Grundlage den Nachlasswert zu berechnen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu weitergehenden Auskünften, etwa hinsichtlich Herstellern, Fabrikaten, Typen und Herstellungsdaten sowie zu einer näheren Beschreibung des Inventars nicht in der Lage gewesen wäre; sie selbst hat sich darauf auch nicht berufen, und die vermissten Informationen können auch nicht auf der zweiten Klagestufe durch bloße eidesstattliche Versicherung ausgeräumt werden. Davon abgesehen fehlen aber auch, wie das Landgericht zutreffend meint, jegliche, ggf. verneinende, Angaben der Beklagten zu Vorempfängen und ergänzungspflichtigen Schenkungen im Sinne des § 2325 BGB. Insofern ließe sich zwar aus dem Fehlen entsprechender Angaben schließen, dass entsprechende Objekte nicht vorhanden sein sollen. Gleichwohl verbleibt es dabei, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis insoweit unvollständig, weil missverständlich, ist und deshalb einer Ergänzung bedarf. Dasselbe gilt hinsichtlich der fehlenden Angaben über Auszahlungen aufgrund von Verträgen des Erblassers in Bezug auf Lebens- und Unfallversicherungen, Bausparverträgen und Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall. Die Kläger können daher verlangen, dass die Beklagte ihr Nachlassverzeichnis in wesentlichen Punkten nachbessert oder neu erstellt, und zwar namentlich hinsichtlich der darin enthaltenen Angaben zu Landmaschinen, beweglichen Sachen (mit Ausnahme des Kfz des Erblassers) und Hausinventars, jedenfalls soweit dies nicht auf den ersten Blick wertlos oder geringwertig erscheint, was etwa für Massenware wie Besteck, Geschirr, Einweckgläser, Waschkessel, Holzbänke, Regale und Telefone sowie unverkäufliche Gegenstände wie gebrauchte Betten oder selbstgebaute Möbelstücke gilt. Die werthaltigen Gegenstände sind in einer Weise zu konkretisieren, dass es den Klägern auf ihrer Grundlage ermöglicht wird, ihren genauen Wert zu ermitteln oder zumindest zu schätzen. Hierauf nimmt die vom Senat gewählte Tenorierung Rücksicht.

Eine Vervollständigung des Nachlassverzeichnisses kann nach der Rechtsprechung dabei zwar regelmäßig nicht gefordert werden. Etwas anderes gilt indes dann, wenn die Auskunftspflichtige etwa aufgrund eines Rechtsirrtums eine unbestimmte Anzahl von Gegenständen nicht in das Verzeichnis aufgenommen (BGH LM Nr. 1 zu § 260 BGB) oder einen bestimmten Teil des Nachlassvermögens ganz ausgelassen hat (OLG München ZEV 2014, 365), mithin nicht nur ganz wenige Angaben fehlen (Damrau ZEV 2009, 274 f). So liegt der Fall aber hier mit Blick auf die skizzierten erheblichen Unvollständigkeiten.“

2. Rechtseinheitlichkeit und Rechtsfortbildung
sind die Fundamente des hiesigen und eines funktionierenden Rechtssystem. Gibt es divergierende Entscheidungen, so sind diese in einem ordentlichen Verfahren und Prozessweg zu klären.Festgelegt z. B. in § 574 Abs. 2 ZPO;

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

3. Rechtliche Grundlagen Prozesskostenhilfe und Beschwerde, Gehör
a) Prozesskostenhilfe und Beschwerde
1.
Keine Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen im Pkh-Verfahren.
BVerfG, Beschl. v. 08.07.2016, 2 BvR 2231/13
„Das Recht auf effektiven Rechtsschutz, das für die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <356> m.w.N.). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in dem dafür vorgesehenen Verfahren zugeführt werden können (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 – 2 BvR 57/13 -, juris, Rn. 10). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).“

2.
Bei Vorliegen von Revisionsgründen ist Pkh zu bewilligen.
Beschwerde ist auch nach § 574 Abs. 3 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grds Bedeutung hat, der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung dient. daher ist dem Pkh Antrag stattzugeben (BGH NJW 2003, 1116; BGH NJW-RR 2004, 1162)
Rechtsfragen, die zur Einheit der Rechtsordnung oder der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig sind, sind nicht im Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Sondern, wenn einer Rechtsfrage diese Bedeutung zukommt, es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider läuft, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (OVG Bremen, 01.12.2010 – 2 S 14/10). Prozesskostenhilfe ist daher auch dann zu gewähren, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2004 – 1 BvR 1715/02 23).
„Dem ASt ist auch dann Pkh zu bewilligen, wenn das Instanzgericht in der Sache zuungunsten des ASt entscheiden möchte (BGH MDR 2013, 1799), selbst wenn es bereits Hauptsacheentscheidungen zu der Rechtsfrage in anderen Verf getroffen hat (BVerfG 4.10.2017 – 2 BvR 846/17). Pkh ist in diesem Fall nicht nur für die unteren Instanzen, sondern auch für das letztinstanzl Verf, in dem die Grundsatzfrage geklärt wird, zu bewilligen (BVerfG v. 4.5.2015 – 1 BvR 2096/13, NJW 2014, 2173 = MDR 2015,
723; aA Geimer 32. Aufl Rn 21).“ (aus: Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 114 ZPO, Rn. 25)

3.
Auch wenn ein Gericht von der höchstrichterlichen Rechtssprechung und der hM in der Literatur abweichen will, muss es Pkh bewilligen (BVerfG, Beschl. v. 21.04.2016, 1 BvR 2154/15, NJW-RR 2016, 1266 f). Versagung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren „Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn das Fachgericht im Verfahren der Prozesskostenhilfe bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur zum Nachteil des Unbemittelten abweicht.“ (LS 1) „Art. 2 I iVm Art. 20 III GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist verfassungsrechlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll allerdings nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 [356 f.] = NJW 1991, 413; stRspr). „Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn ein Fachgericht § 114 I ZPO dahin auslegt, dass es eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage – obwohl dies erheblichen Zweifeln begegnet – als einfach oder geklärt ansieht und sie deswegen bereits im Verfahren der Prozesskostenhilfe zum Nachteil des Unbemittelten beantwortet (vgl. BVerfGE 81, 347 [359 f.] = NJW 1991, 413).“ Entsprechendes gilt, wenn das Fachgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur abweicht (vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 7.11.2011 – 1 BvR 1403/09, BeckRS 2011, 56799 Rn. 34 mwN).“ BVerfG, Beschl. v. 8. 11.2004-1 BvR 2095/04, NJW-RR 2005, 500 f. Überspannte Anforderungen an Erfolgsaussicht einer Klage im Pkh-Verfahren)
GG Art. 3 I, 20 III; ZPO § 114
„Eine mit Art. 3 I i. V. mit Art. III GG unvereinbare Überspannung der Anforderungen an das Vorliegen einer hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung gem. § 114 ZPO liegt vor, wenn das Gericht – selbst bei Heranziehung schlüssiger Argumente und guter Begründung- in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur … abweicht. (Leitsatz der Redaktion)“ „Unter Anlegung dieses Maßstabs verstößt die Entscheidung des OLG gegen Art. 3 I i. V. m. Art. 20 III GG. Denn das Gericht hat die Anforderungen an die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe überspannt, indem es eine schwierige Rechtsfrage bereits im summarischen Verfahren “durchentschieden” hat.“ „Das OLG ist mit seinem Beschluss in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur abgewichen; ein solches Vorgehen muss aber – selbst wenn es unter Heranziehung schlüssiger Argumente gut begründet wäre- im Hinblick auf die im summarischen Verfahren nicht in ausreichender Weise gegebene Möglichkeit zur Vertiefung und Verdeutlichung des eigenen Rechtsstandpunkts der Parteien- zum Beispiel in einer mündlichen Verhandlung- dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.“

4.
Eine Beweisaufnahme findet im PkhVerfahren nicht statt.
Pkh ist vielmehr idR bereits dann zu bewilligen, wenn der Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vom Ausgang einer Beweisaufnahme abhängt; dabei genügt es, dass die Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt (BVerfG v. 19.2.2008 – 1 BvR 1807/07, NJW 2008, 1060 = MDR 2008, 518; BVerfG v. 13.7.2020 – 1 BvR 631/19, FamRZ 2020, 1559): (aus: Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 114 ZPO, Rn. 32)

5.
Neuer Vortrag im Pkh-Beschwerde ist zulässig.
Neuer Sachvortrag und darauf gründender Rechtsvortrag sind im Beschwerdeverfahren zulässig (Hessisches Landarbeitsgericht vo 26.05.2020 Az. 14 Ta 26/20). Es muss kein neuer Pkh-Antrag gestellt werden, denn das erstinstanzliche Gericht hat im Abhilfebeschluss die Möglichkeit unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens zu entscheiden.

b) Recht auf Gehör
Art.103 GG (Justizgrundrecht: vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör).
„Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet als Verfahrensgrundrecht (532 BVerfG(K) I, 259 (262); 3, 143 (145)) das rechtliche Gehör als “prozessuales Urrecht des Menschen”, aufgefächert in drei Sektoren: Information, Äußerungsbefugnis, Berücksichtigungspflicht.
Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133 (145 f.). Wesentliche Tatsachenbehauptungen dürfen infolgedessen nicht übergangen werden, sie müssen vielmehr in den Entscheidungsgründen „verarbeitet” werden (B. der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 25.10.11-2 BvR 2407/10, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17.1.12- I BvR 2728/10, Rn. 10 ff. 539).
“Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können” (BVerfG, Beschl. v. 18.01.2011, 1 BvR 2441/10, Rn. 10 ff.)
„Die Missachtung des rechtlichen Gehörs verletzt den Betroffenen in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG.“ (BVerfG, Besch. v. 12.01.2000, 2 BvR 1621/99).
Seine rechtsstaatliche Bedeutung ist auch in dem Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Art. 47 Abs. 2 sowie Art. 41 Abs. 2 lit. a der Europäischen Grundrechtecharta anerkannt. Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89).

Das Grundgesetz sichert rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. GG. Rechtliches Gehör ist nicht nur ein “prozessuales Urrecht” des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes schlechthin konstitutiv ist (vgl. BVerfGE 55, 1).

„Rechtliches Gehör sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert es, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden.” (BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, Rn. 38 ff. = BVerfGE 107, 395).
,,Art. 103 Abs. 1 GG steht daher in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie (vgl. BVerfGE 81, 123). Diese sichert den Zugang zum Verfahren, während Art. 103 Abs. 1 GG auf einen angemessenen Ablauf des Verfahrens zielt: Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden. Wenn ein Gericht im Verfahren einen Gehörsverstoß begeht, vereitelt es die Möglichkeit, eine Rechtsverletzung vor Gericht effektiv geltend zu machen.” (BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, Rn. 38 ff. = BVerfGE 107, 395).
“Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die von den Fachgerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben.” (BVerfG, Beschl. v. 08.04.2004, 2 BvR 743/03, Rn. 11.).
Von einer Verletzung des Rechts auf Gehör ist auch dann auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (BGH, Beschl.. v. 29.10.2019- 1 U 139/19).

5. Beweissicherung, effektiver Rechtsschutz, öffentliches Interesse, existenzielle Notlage
siehe
http://www.vulnerabel-rechtlos.de/betrugsfreundliche-brd-beweise-vernichtung/

6. Grundrechte (prozessual, materiell)

siehe
http://www.vulnerabel-rechtlos.de/75-jahre-grundgesetz-nicht-fuer-arme-vulnerable/

7. Weitere wichtige Rechtsfragen und Literatur
Initiativstellungnahme No 36 der Bundesrechtanwaltskammer „zugunsten eines fairen Verfahrens im Pflichteilsrecht und Erweiterung der wechselseitigen Auskunftsrechte“, 2019:
Die aktuelle Gesetzeslage ermöglicht die Verheimlichung von Tatsachen, die jeweils zu einer vom Gesetz nicht gewollten Bevorteilung eines sich unredlich verhaltenden Beteiligten führen kann. Die Auskunftsrechte innerhalb von Pflichtteilsstreitigkeiten müssen gestärkt werden.“ (https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2019/dezember/stellungnahme-der-brak-2019-36.pdf)

Auswirkungen des Ablaufs der Aufbewahrungsfrist für Geschäftsunterlagen auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch“ (Eichner, ZEV, 2021,
422)

„Pflichtteilsrecht, nur ethische Vorstellungen statt Gesetz? “ (Horn, ErbR 2021, 641); „Hätte man nicht vom BGH „mehr” erwartet?“ (Kanzleiter, ErbR 2022, 963):
Anspruch des Rechtssystems, die Rechtssprechung durch Leitentscheidungen zu prägen und fortzuentwickeln, sich im Erbrecht nicht erfüllt“

„Schutz des Erblassers vor unangemessener Beeinflussung“ (Frieser, ErbR 2020 309).



to be continued

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